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Das Lahnkonzept (Action A 1)

Zielsystem

Aufgabe des Lahnkonzeptes ist es, auf Basis der durchgeführten Grundlagenermittlung in den nächsten Jahren eine gemeinsame Zukunftsperspektive für die Wasserstraße Lahn zu entwickeln. Hierfür wurde bis zum Jahre 2021 ein gemeinsames Zielsystem erarbeitet, welches die Leitplanken für die zukünftige Entwicklung der Lahn definiert. Aufgrund der Ergebnisse der Interessenerhebung und der gesetzlichen Randbedingungen wurde der ökologischen Aufwertung ein hoher Stellenwert beigemessen. Die anderweitigen Interessen dürfen jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, sondern müssen mit den naturschutzfachlichen Zielen in Einklang gebracht werden. Die Herausforderung für das Projekt „LiLa - Living Lahn“ liegt darin, die unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Interessen zusammenzuführen und Kompromisse auch für augenscheinlich nicht zu vereinbarende Nutzungen zu finden.

 

Im ersten Schritt wurden die zwölf vorliegenden Zielepapiere analysiert (siehe Dokumentenanalyse rechts). Hierbei wurden vier grundsätzliche Konfliktthemen identifiziert, zu denen verschiedene Interessengruppen gegensätzliche Positionen vertreten. In vier Konfliktworkshops wurde allen Beteiligten die Chance gegeben, gemeinsam, d.h. interessenübergreifend, Kompromissräume für diese Zielkonflikte zu erarbeiten (Veranstaltungsbericht siehe rechts). Darauf aufbauend folgte eine Bewertung der analysierten Ziele und schließlich die Erarbeitung des gemeinsamen Zielsystems. Hierfür hat das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Mosel-Saar-Lahn mit den Projektpartnern aus Bund und Ländern in mehreren Workshops und Kleingruppen verschiedene Ziele erarbeitet, die mit den betroffenen Ressorts der Länder und des Bundes auf Arbeitsebene abgestimmt wurden. Das Beratergremium, in dem die Verbandsvertreter/innen der betroffenen Interessengruppen (Natur und Ökologie, Angelfischerei, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, motorisierte und muskelbetriebene Schifffahrt, Naherholung und Tourismus) sowie die Kommunalvertreter/-innen und zwei Bürgerbotschafter/-innen organisiert sind, wurde 2021 mit dem Entwurf des Zielsystems konsultiert und erhielt die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu den verschiedenen Zielen einzureichen. Nach einer weiteren Überarbeitung wurde das gemeinsame Zielsystem für das Lahnkonzept am 8. Februar 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es bildet einen wesentlichen Meilenstein der Bearbeitung und die Basis für die anschließende Variantenbetrachtung.

 

Im Fokus des Zielsystems steht der Einklang von Ökologie und Nutzungen. Wie der bisherige Dialogprozess gezeigt hat, ist die erforderliche ökologische Aufwertung nicht nur ein zentrales Anliegen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und damit der deutschen Gesetzgebung, sondern auch der Lahntalbewohner und der betroffenen Interessengruppen. Wasser ist Leben und das Leben an einem intakten Fließgewässer erhöht die Lebensqualität. Deshalb gilt es, die ökologische Aufwertung mit den vielfältigen über Jahrhunderte gewachsenen Nutzungen des Flusses und seiner Aue in einem integrativen Konzept zusammenzubringen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass rund 90 % der im Rahmen der Interessenerhebung eingebrachten Ziele im Zielsystem berücksichtigt werden konnten (vgl. Anlagen 4 und 5 zum Zielsystem).

 

So sollen zum einen vielfältige naturnahe Lebensräume erhalten und entwickelt werden. Konkrete ökologisch orientierte Ziele sind die Ausweitung des Biotopverbundes, die Verbesserung der Gewässerstruktur, das Erreichen einer guten Wasserqualität als Lebensgrundlage und die Minimierung des Einflusses invasiver Arten. Zum anderen soll auch zukünftig eine nachhaltige Nutzung der Lahn und ihrer Aue ermöglicht werden. Hier geht es neben der Gewährleistung einer regionalen Versorgung durch die Lahn und ihre Aue (Trinkwassergewinnung, regionale Erzeugung von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen, nachhaltige Nutzung der regenerativen Wasserkraft, Hochwasserrückhalt und -schutz) auch um die Weiterentwicklung des Lahntales als attraktive und nachhaltige Tourismus- und Freizeitregion (Tourismus- und Freizeitnutzung allgemein, bedarfsgerechte Entwicklung der Schifffahrt und der wassertouristischen Infrastruktur, Förderung der Nachhaltigkeit der Angelfischerei). In einem dritten Themenkomplex wurden übergeordnete Ziele formuliert, um die Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Lahnkonzeptes zu verbessern (Flächenmanagement, Zusammenarbeit, Stärkung der Akteure, Sensibilisierung der Bevölkerung). All diese Aspekte gilt es im weiteren Bearbeitungsprozess parallel und in ausgewogener Weise zu berücksichtigen. Dabei sind aufgrund der unterschiedlichen Randbedingungen im Bereich der oberen Lahn von Gießen bis Limburg und der unteren Lahn von Limburg bis Lahnstein schon jetzt zum Teil unterschiedliche Zukunftsperspektiven erkennbar.

 

Die Lahn zwischen Limburg und Lahnstein:

Das untere, oft enge Lahntal wird geprägt durch den Aufstau von 13 meist beweglichen Wehren mit einer Fallhöhe von bis zu sechs Metern. Diese Wehre ermöglichen vielfältige Nutzungen: Sie dienen der Schifffahrt und der Wasserkraft und halten den Grundwasserstand in der Aue auf hohem Niveau. Davon sind zum Teil u.a. die Standsicherheit von Bauwerken und Trinkwasserentnahmen abhängig. Durch die Vielfalt der Nutzungen und die im Umfeld gewachsenen Strukturen ist ein Wehrrückbau hier sehr problematisch. Den Ergebnissen des Dialogprozesses kann man entnehmen, dass dies gesellschaftlich auch nicht konsensfähig wäre. Vor diesem Hintergrund sind auch die außerhalb des LiLa-Projektes laufenden Planungen für den notwendigen Ersatz von sechs Lahnwehren mit dem Zielsystem vereinbar. Zudem wird es an den betroffenen Standorten zu einer vorgezogenen Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit u.a. für Fische kommen, was ebenfalls im Sinne des Zielsystems ist.

 

Paddler und Motorboote werden also weiterhin zum Erscheinungsbild der unteren Lahn gehören und die gewonnene regenerative Energie in den zum Großteil ökologisch zu optimierenden Wasserkraftanlagen wird ihren Beitrag zur Energiewende leisten. Durch die notwendige Ertüchtigung bzw. den gleichwertigen Ersatz der beweglichen Wehre wird ihre erforderliche Funktionsfähigkeit auch zukünftig u.a. für den Hochwasserabfluss gewährleistet. Aber auch unter diesen schwierigen Randbedingungen wird es eine deutliche ökologische Aufwertung der unteren Lahn geben, die Kompromissbereitschaft auf allen Seiten der Nutzer erfordern wird.

 

Die Lahn zwischen Gießen und Limburg:

Der obere Abschnitt der Bundeswasserstraße Lahn durchfließt größtenteils weitläufige, zum Teil bebaute, meist landwirtschaftlich genutzte Auenflächen. Auch hier wird der Fluss über lange Strecken durch den Aufstau von Wehren geprägt. Dabei handelt es sich jedoch fast ausschließlich um feste Wehrschwellen mit Fallhöhen von 0,5 bis 3,5 m. Hier macht es Sinn, die Möglichkeiten eines Wehrrückbaus detailliert zu prüfen und dort umzusetzen, wo es die zu berücksichtigenden Randbedingungen zulassen. Die motorisierte Schifffahrt wird sich der ökologischen Aufwertung in Teilbereichen gegebenenfalls unterordnen müssen und die muskelbetriebene Schifffahrt zukünftig vorrangig sein.

 

Das mittel- und langfristig generierbare ökologische Potenzial wird insbesondere von einem fairen Flächenmanagement abhängig sein, um geeignete Flächen für die Gewässer- und Auenentwicklung bereitstellen zu können. An der oberen Lahn werden große Chancen für die erforderlichen großflächigen Aufwertungsnahmen gesehen.

 

Wie geht es weiter?

Im nächsten Bearbeitungsschritt werden aufbauend auf dem breit abgestimmten Zielsystem verschiedene Varianten entwickelt und untersucht, wie die definierten Ziele am besten erreicht werden können. Die zu ermittelnde Vorzugsvariante wird Eingang in das Lahnkonzept und die darauf aufbauende Lahndeklaration als politische Willenserklärung des Bundes und der Länder finden. Die Umsetzung des Lahnkonzeptes wird nach Projektende ab 2026 starten.

 

Die Ergebnisse des gemeinsamen Zielsystems für das Lahnkonzept sowie die Beiträge zu der öffentlichen Vorstellung am 08.02.2022 können den nebenstehenden Dokumenten entnommen werden. Vielen Dank an alle Beteiligten für die zahlreiche Teilnahme und die regen Chatdiskussionen während der Veranstaltung!